Die Weseta Textil AG aus Engi steht schon seit mehr als 150 Jahren für Nachhaltigkeit und Innovation.
Von Melissa Stüssi
Die Textilindustrie ist so stark mit dem Kanton Glarus verknüpft wie keine andere. Ihren Anfang nahm sie 1740 mit der Gründung der ersten Stoffdruckerei. Im 19. Jahrhundert erlebte die Baumwollindustrie einen enormen Aufschwung in den Bereichen Stoffdruck sowie maschinelle Spinnerei und Weberei. Laut dem Verein Glarner Industrieweg beschäftigten zu Spitzenzeiten 22 Druckereien rund 5500 Arbeiterinnen und Arbeiter. Gleichzeitig waren mehr als 3800 Personen in 18 Spinnereien und 17 Webereien tätig. Glarus, mit seinen damals 32’200 Einwohnern, ist seither einer der am stärksten industrialisierten Kantone. Aufgrund der Entstehung neuer Industriezweige und Krisen wie dem ersten Weltkrieg schlossen die meisten Textilfabriken ihren Betrieb im Verlauf des 20. Jahrhunderts aber wieder.
Eine der wenigen, die es heute noch gibt, ist die Weseta Textil AG aus Engi. Sie wurde in der Blütezeit der Textilindustrie vom 19-jährigen Leonhard Blumer als «Weberei Sernfthal» gegründet. Der Jungunternehmer war «Engeler» mit Leib und Seele und wollte etwas gegen die steigende Arbeitslosigkeit unternehmen – mit Erfolg. Für die Produktion wurde damals wie heute die Wasserkraft des nahen Mühlebachs genutzt. «Das Dorf Engi war Leonhard Blumer so dankbar, dass ihm als Starthilfe das Wassernutzungsrecht des Mühlebachs geschenkt wurde», erzählt Ursula Freitag, Head of Marketing and Sales. Die 41-Jährige gehört fast zum Inventar der Weseta Textil AG, ist sie doch schon mehr als 20 Jahre dort angestellt. Auch sie ist in Engi aufgewachsen, kennt das Dorf wie ihre Westentasche und die Weseta sowieso. Sie gewährt mir heute einen Blick hinter die Kulissen des geschichtsträchtigen Unternehmens.
Ursula Freitag zeigt einen Baumwollfaden auf einer Garnkone.
Die Baumwollfäden werden präzise auf einen sogenannten Kettbaum aufgerollt.
Der Rundgang startet nicht wie erwartet im Hauptsitz in Engi, sondern in Niederurnen, auf dem Areal der Jenny Fabrics AG. «Leider musste auch die Jenny Fabrics ihre Textilproduktion letztes Jahr einstellen», erzählt Ursula Freitag, «wir durften aber zum Glück bleiben.» 2011 zog die Weseta nämlich mit neuen Webmaschinen nach Niederurnen, da die Infrastruktur in Engi dafür nicht optimal war. In Engi befinden sich die Verwaltung, die Nähmaschinen und das Lager. Kein Wunder, eine der grossen Frottiermaschinen wiegt rund acht Tonnen – damit ist man im Erdgeschoss eindeutig besser aufgehoben. Sie webt mit etwa 4000 Fäden mit einer Geschwindigkeit von 400 bis 500 Touren. Die kleineren Schaft-Frottierwebmaschinen bewegen bis zu 500 Fäden gleichzeitig.
Predrag Mijuk, Head of Production, kümmert sich leidenschaftlich um die Weberei. «Die grösste Herausforderung und gleichzeitig auch das Spannendste an dieser Arbeit ist die Reproduzierbarkeit der Frottiertücher», erklärt er. Baumwolle sei ein Naturprodukt das lebt und kleine Unregelmässigkeiten in Haptik und Farbe seien unvermeidlich. Predrag Mijuk hat ein sehr gutes Auge und erkennt Fehler auf den Frottiertüchern, wo ich ein einwandfreies Produkt zu sehen glaube. «Herr Mijuk ist ein Glücksfall für uns, als einzige Frottierweberei der Schweiz», findet Ursula Freitag, «denn es gibt kaum noch jemanden, der sich mit Frottiertüchern so gut auskennt».
Schaft-Frottierwebmaschinen bewegen bis zu 500 Fäden gleichzeitig.
Eine Jacquard-Webmaschine wiegt rund 8 Tonnen.
Die Baumwolle, aus denen die Tücher zu 100 Prozent bestehen, kommt aus Ländern wie Griechenland und Ägypten. Eine Spinnerei spinnt oder zwirnt die Baumwolle zu Garn, welches die Weseta in Niederurnen anschliessend verwebt. Danach geht die Rohware zu einem Färber, der sie bleicht, färbt und veredelt. In Engi werden die Frottiertücher dann fertig vernäht und erneut kontrolliert, bevor sie versandt werden. Die Weseta verkauft ihre Produkte in 40 verschiedenen Ländern an Grosskunden, Warenhäuser, Fachhändler und Private. Zu den grössten Kunden in der Schweiz zählen Manor, Globus, Pfister, Jelmoli und Coop. Es sind aber auch einige kleine inspirierende Kunden wie z.B. das Glarussell dabei.
Es gibt verschiedene Produktlinien wie zum Beispiel Dreamflor, Dreamroyal, Douceur oder Folklore. Sie unterscheiden sich vor allem in Weichheit, Saugfähigkeit und Design. Das Aushängeschild ist definitiv die Dreamflorlinie, die durch ein besonderes Webverfahren hergestellt wird. So wird sie unvergleichlich weich und kuschelig, aber dementsprechend auch etwas teurer.
Je nach Produkt unterscheidet sich auch das Design. Hier ein Duschvorleger aus der Weseta Kollektion.
Die Weseta Textil AG ist in Engi Zuhause.
Im Fabrikladen werden sowohl Neuwaren als auch Ausschusswaren verkauft. Öffnungszeiten: Mittwochnachmittag 13 – 16 Uhr/ Samstag 8 – 12 Uhr.
Lucia Martins überprüft, ob die Tücher inklusive Etiketten richtig vernäht wurden.
Die Weseta ist ein KMU, das heute rund 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt; die meisten davon in Engi. Die letzten beiden Jahre waren für das Unternehmen turbulent; vor allem die Pandemie hat einige Veränderungen in Gang gesetzt. «Corona hat uns einen ziemlichen Schubs gegeben. Mittlerweile läuft vieles digital ab, was ohne Pandemie vielleicht noch einige Jahre gedauert hätte. Auch unser Onlineshop läuft besser», berichtet Ursula Freitag. Natürlich sei die Umstellung schwierig gewesen, aber im Endeffekt seien sie daraus stärker hervorgegangen. Diese Ansicht teilt auch CEO Conrad Peyer, den ich im Fabrikgebäude in Engi treffe. Er ist zuversichtlich, was die Zukunft der Weseta Textil AG betrifft. «Obwohl um uns herum leider einige Textilunternehmen eingegangen sind, bin ich positiv gestimmt», sagt Peyer. Ihre innovative, faire und nachhaltige Produktionsweise sei dem Kunden wichtiger als jemals zuvor. «Man möchte wieder wissen, wo ein Produkt herkommt. Das verschafft uns einen Vorteil, da wir schon seit jeher so produzieren. Nicht zuletzt verkaufen wir den Kunden ein echtes Glarnerprodukt.»
Text: Melissa Stüssi / Bilder: Melissa Stüssi
Ausstellung im Fabrikladen
Das Weseta Frottiertuch in seiner bevorzugten Umgebung